Gleichschritt, Abtauchen oder endlich leben


Wunderschön anzusehen – so sitzen sie da, einer Perlenschnur gleich aufgereiht – die Libellen – leichtfüßig, fast schwebend an einem Ast im gleißenden Sonnenlicht eines Sommertages.
Sind sie eine wie die andere? Nein.
Jede ist für sich einzigartig, jede ist anders, jede hat einen anderen Flügelschlag, eine andere Haltung – und dennoch verharren sie einer Armada gleich auf diesem einzigen Ast.
Stellt sich nicht vielmehr die Frage bei aller scheinbaren Gleichförmigkeit: Wer ist der Anführer, wer ist das Schlusslicht. Ist er überhaupt das Schlusslicht, nur weil er am Ende der Perlenschnur positioniert ist? Und was ist mit jenen in der Mitte? Sind sie die Mitläufer, die im Gleichschritt dem Anführer folgen? Ist der Anführer immer die Nummer Eins? Ist er der Starke, weil er auf Position Eins steht? Muss er denn automatisch stark ob seiner Position sein? Wer bestimmt das? Wer gibt das vor? Oder heißt es nicht vielmehr „die Letzten werden die Ersten sein“?

Haubentaucher – welch filigranes gefiedertes Paar, das so schön anzusehen ist. Sie schauen sich an und plötzlich tauchen sie ab. Was nun? Ist das Abtauchen das Verschließen des Blickes vor dem Leben oder einfach nur ein Schutz, um zu neuen Kräften zu kommen? Wann ist ein Abtauchen notwendig? Wann ist ein Auftauchen lebens-notwendig? Und so tauchen sie wieder auf, diese Beiden, die beiden Haubentaucher, um nicht nur sich gegenseitig anzublicken, sondern mit vereinten Kräften und gestärkt in eine Richtung zu blicken und so viel mehr, viel besser voranzukommen.
Schließt sich der Kreis? Heißt das endlich zu leben, zu leben im Hier und Jetzt – ist das nicht das Leben? Jeder Atemzug, jeder Wimpernschlag, jeder Blick ins Licht, in den Himmel, in die Bäume, in das Grün und all jenen Farben einer Landschaft? Und die Krönung – wie die Haubentaucher, abzutauchen, wenn es notwendig ist, aufzutauchen, wenn es an der Zeit ist und dabei gemeinsam in eine Richtung zu blicken, um gemeinsam viel mehr zu bewegen.

© Daniela Neufeld